Die Rose von Samarkand

 

Kurzgeschichte

 

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Es sollte eigentlich eine Reise zu zweit werden, doch Amina steigt alleine in den sogenannten Orient-Express, der sie entlang der ehemaligen Seidenstraße von Urgench aus bis zu ihrer Heimatstadt bringen soll. Doch dann lernt sie einen Mann kennen, der eine interessante Geschichte zu erzählen weiß. 

 

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 Alle Rechte, einschließlich des vollständigen oder teilweisen Nachdrucks in jeglicher Form sind vorbehalten.

 

Die Personen und Handlungen in diesem Roman sind allesamt fiktiver Natur. Eventuelle Ähnlichkeiten mit lebenden oder bereits verstorbenen Personen sind nicht beabsichtigt.

 

© 26.08.2021 Katica Fischer

http://www.katica-fischer.de

 

Cover: Katica Fischer

Fotos: Clipdealer.de

 

Herausgeber und Vertrieb:

KDP Amazon-Kindle

 

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DIE ROSE AUS SAMARKAND

 

Man schrieb den sechsten Dezember und mit minus drei Grad Celsius war es ungewöhnlich kalt in Usbekistan, denn hier herrschte selbst im Winter normalerweise ein gemäßigtes Klima. Obwohl es anders ablaufen sollte, stand Amina jetzt alleine am Bahnsteig in Urgench. Die dunklen, etwas schräg gestellten Augen blickten traurig, während der schön geschwungene Mund leicht bebte, so als würde sie jeden Moment zu weinen beginnen. Eine Reise zu zweit hatte es werden sollen. An den Ort, den sie vor zwei Jahrzehnten der Liebe wegen verlassen hatte. Doch nun würde sie ohne Begleitung in den sogenannten Orient-Express steigen, der sie entlang der ehemaligen Seidenstraße bis Samarkand fahren sollte.

Es tut mir leid“, hatte ihr Mann mit bekümmerter Miene versichert. „Ich komme nach, wenn ich früher mit dem Auftrag durch bin.“ Doch daran konnte sie nicht glauben, denn er hatte sie schon mehrfach zugunsten seiner Arbeit versetzt und damit nicht nur einmal zutiefst enttäuscht. „Du wirst bestimmt schnell Anschluss finden und keine Langeweile haben, hatte er zu trösten versucht. „Wer weiß, vielleicht lernst du sogar jemand Interessantes kennen.“ Also, sie war bestimmt nicht schüchtern oder menschenscheu. Und auf den Mund gefallen war sie auch nicht, denn als ausgebildete Dolmetscherin musste man nicht nur in anderen Sprachen sicher, sondern auch wortgewandt sein. Trotzdem war ihr ein wenig mulmig bei dem Gedanken, ganz alleine an einem Tisch sitzen zu müssen, der womöglich auch noch so stand, dass sie von allen Seiten begafft werden konnte. Es war einfach blöd, im absoluten Mittelpunkt des Interesses zu stehen und Gegenstand mehr oder weniger freundlicher Mutmaßungen zu sein.

Während die altertümlich anmutende Eisenbahn heranrollte und dabei zusehends an Geschwindigkeit verlor, fasste Amina den Schulterriemen ihrer Handtasche fester. Wenn es allein nach ihr gegangen wäre, sie hätte auf dem Absatz kehrt gemacht, um zum Flughafen zurückzufahren und in den nächstbesten Flieger nach Frankfurt zu steigen. Aber das ging nicht, denn in ihrer Heimatstadt warteten Menschen voller Sehnsucht auf sie, die sie lange nicht mehr in die Arme geschlossen hatte. Also kletterte sie mit ihrem Gepäck in den Zug und suchte dann die Schlafkabine auf, in welcher sie die nächsten Tage verbringen sollte.

 

Amina wäre am liebsten in ihrem Abteil geblieben, denn sie hatte keine Lust auf musikalische Unterhaltung oder Small-Talk mit Mitreisenden. Da sie jedoch Hunger hatte, zog sie sich um, denn für das Abendessen im luxuriös ausgestatteten Speisewagen war entsprechende Garderobe erwünscht. Danach nahm sie ihre Clutch und machte sich auf den Weg.

Dass der für sie reservierte Tisch im hinteren Bereich des Zugrestaurants stand, entlockte ihr einen leisen Seufzer der Zufriedenheit. Allerdings schwand ihre Erleichterung schnell, denn noch bevor sie ihren Platz erreichte, setzte sich ein fremder Mann auf einen der beiden Stühle.

„Verzeihung.“ Sie blieb am Tisch stehen und sah auf den schwarzen Schopf hinunter, der über der Menükarte schwebte. „Dieser Tisch ist reserviert.“

„Oh.“ Der Mann hob den Kopf, wobei ein hässliches Brillengestell und ein ziemlich müde wirkendes, zum Großteil von einem dichten Bart bedecktes Gesicht sichtbar wurden. „Äh.“ Er musterte sie kurz von Kopf bis Fuß und richtete sich gleichzeitig auf. „Sorry. Aber der Stewart sagte, der Platz hier wäre noch frei. Also dachte ich, ich esse schnell mal was und verziehe mich dann wieder. Aber wenn ich Sie störe, gehe ich sofort.“

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